Erst vor wenigen Wochen änderten sich mit dem Gesetz für Erneuerbares Heizen und dem Gesetz zur flächendeckenden Wärmeplanung die rechtlichen Grundlagen für die Energiewende auf Bundesebene. Beide Gesetze sind laut Bundesregierung entscheidend, um die Wärme- und Energiewende in Deutschland schneller voranzutreiben: Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu sein. Um dieses Ziel zu erreichen, muss Deutschland unabhängig von fossilen Brennstoffen werden – und diese sind bis heute Hauptwärmequelle für unsere Gebäude: Rund drei Viertel aller Haushalte heizen mit Erdgas oder Heizöl. Die Gebäudebeheizung und die Warmwasserversorgung verbrauchen dabei mehr als ein Drittel des gesamten Energiebedarfs in Deutschland. Der Umstieg auf erneuerbare Energien in der Wärme- und Energieversorgung ist daher unabdingbar, um ein klimaneutrales Deutschland zu erreichen.
Die viel diskutierte, zweite Novelle des Gebäudeenergiegesetzes ("Gesetz für Erneuerbares Heizen") sieht vor, dass ab dem 01. Januar 2024 in den meisten Neubauten Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Das Gesetz zur flächendeckenden Wärmeplanung sieht weiterhin vor, dass Kommunen bis spätestens Mitte 2028 (Großstädte bereits bis spätestens Mitte 2026) planen, wo Wärmenetze ausgebaut und wie sie auf klimafreundliche Fernwärme umgestellt werden können.
Das Gesetz für Erneuerbares Heizen und das Gesetz zur flächendeckenden Wärmeplanung werden auf Bundesebene intensiv diskutiert. Inwieweit berühren die rechtlichen Neuerungen Ihre Forschung? Und welche Prozesse können diese Änderungen – vor dem Hintergrund Ihrer Forschung – auf kommunaler Ebene auslösen?
Marten Westphal (EW-K2): "Die Wärmeplanung war schon bei der Konzeption des Projekts EW-K2 der zentrale Untersuchungsgegenstand, noch lange bevor sich die Diskussion auf Bundesebene in diese Richtung bewegte, es gab dazu nur erste Überlegungen und Aktivitäten in Baden-Württemberg. Wir begrüßen es daher natürlich, dass der Wärmeplanung, die wir als ein zentrales Instrument für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung erachten, jetzt die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Gleichzeitig war das Projekt EW-K2 von vornherein so angelegt, dass es nicht mit Einführung einer Wärmeplanung endet, sondern es wurden vor allem die weiterführenden Fragen wie die Umsetzung eines solchen Wärmeplans, die Finanzierung der Umsetzung und die Gesamtkoordination innerhalb des Energiesystems, bei dem die kommunale Ebene ja nur einen Teil ausmacht, in den Fokus gerückt. Insofern bleiben unsere Forschungsfragen auch nach einer gesetzlichen Einführung, wie sie aktuell diskutiert wird, erhalten und gewinnen eher an Relevanz. Wir forschen sozusagen zur Frage der Weiterentwicklung und Verbesserung der Wärmeplanung und der Umsetzung ihrer Ergebnisse."
Nils Bieschke (OLE): "Für die Analysen zum institutionellen Rahmen wurde im Projekt die zentrale Annahme getroffen, dass eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung für alle Kommunen in Deutschland besteht, die außerdem eine verbindliche Außenwirkung entfaltet. Insofern wird begrüßt, dass die aktuellen Diskussionen zur kommunalen Wärmeplanung zumindest teilweise in diese Richtung gehen. Eine Erkenntnis aus dem Projekt OLE ist, dass die Nutzung von Biomasse aus lokalen Reststoffen für die lokale Wärmeversorgung über ein Wärmenetz zumindest im mittel- bis langfristigen Horizont mit nicht unerheblichen (preislichen) Risiken verbunden ist. Die kommunale Wärmeplanung kann hier einen Ansatzpunkt darstellen, um einerseits sicherzustellen, dass Biomasse zur lokalen Wärmeversorgung (aus Gesamtsystemsicht) auf eine effektive und effiziente Art und Weise genutzt wird und andererseits damit gleichzeitig die Unsicherheit auf kommunaler Ebene zu reduzieren."
Welches sind – mit Blick auf Ihre Forschungsergebnisse – die wesentlichen Hindernisse für die Umsetzung klimaneutraler Energiekonzepte auf kommunaler Ebene? Erwarten Sie, dass die gesetzlichen Änderungen dazu beitragen, diese Hindernisse auf kommunaler Ebene abzubauen?
Marten Westphal (EW-K2): "Das zentrale Hindernis ist, dass der bestehende regulatorische Rahmen (z.B. im Bereich der Gas- und Stromverteilnetzregulierung) noch nicht aus der Perspektive eines dekarbonisierten Energiesystems, für das die Verbindung der Energiesektoren (Sektorenkopplung) zentral ist, formuliert ist. Die Wärmeplanung als integriertes Planungsinstrument nimmt diese neue Perspektive ein, wird im Bereich der Umsetzung aber noch regelmäßig durch den veralteten regulatorischen Rahmen eingeschränkt. Inwieweit die diskutierten und jetzt teilweise auch schon beschlossenen gesetzlichen Änderungen hier Abhilfe schaffen können, lässt sich aktuell nur schwer einschätzen. Dies liegt vor allem an der komplexen Verknüpfung aus Wärmeplanungsgesetz einerseits, das vor allem einen unverbindlichen Wärmeplan etabliert, und dem Gebäudeenergiegesetz, aus dem dann (zumindest teilweise) Impulse für die Umsetzung hervorgehen. Vermutlich werden aber nicht zuletzt aufgrund dieser Komplexität weiterhin Schwierigkeiten bei der Umsetzung bestehen bleiben."
Nils Bieschke (OLE): "Für das Gebiet der betrachteten Landgemeinde Am Ettersberg konnte im Projekt herausgearbeitet werden, dass aus Sicht der Gemeinde der Rückgriff auf technisch-systemische Konzepte zur lokalen Wärmeversorgung, die auf der Nutzung lokaler biogener Reststoffe (Grün- und Biogut, Gülle, Stroh und Klärschlamm) basieren, sowohl in Hinblick auf die Reduktion der Treibhausgasemissionen als auch aus finanzieller Sicht mit Vorteilen einhergehen kann. Allerdings ist es bei Unterstellung des Ziels einer möglichst effektiven und effizienten Gesamtenergiesystemtransformation zumindest mittel- bis langfristig fraglich, ob (gasförmige) Biomasse zukünftig im größeren Stil für die lokale Wärmeversorgung genutzt werden und nicht vielmehr in anderen Sektoren Anwendung finden sollte (u. a. Industrie, Luft- und Schifffahrt). Der aktuelle institutionelle Rahmen ist grundsätzlich nicht darauf ausgerichtet, lokale Reststoffe systematisch energetisch nutzbar zu machen und entsprechende Konzepte umzusetzen. So ist bspw. aus Betreibersicht die (langfristige) Absicherung des Bezugs von lokalen Reststoffen aufgrund von Ausschreibungsvorgaben aus dem Wettbewerbsrecht kaum umsetzbar, was die Investitionen in Ansätze zur Nutzung lokaler Reststoffe erheblich erschwert."
Welches Ergebnis Ihres Projekts halten Sie für das wichtigste? Inwiefern lässt sich dieses auf andere Kommunen übertragen?
Marten Westphal (EW-K2): "Zunächst lässt sich festhalten, dass sich unsere Einschätzung zur Konzeption des Projekts, dass die Wärmeplanung ein zentrales Instrument zur Erreichung klimaneutraler Wärmeversorgung sein kann, im Projektverlauf nur bestätigt hat. Mit Blick auf die im Projekt eingebundene Kommune Neuruppin hat sich im Projekt gezeigt, wie wertvoll es im Bereich der Energiesystemtransformation ist, dass die kommunale Verwaltung, die auch zumeist für die Wärmeplanung verantwortlich sein wird, und das Stadtwerk als Eigentümer und Betreiber der Energieinfrastrukturen an einem Strang ziehen. Hierfür ist es in der Regel entscheidend, dass das Stadtwerk sich in kommunaler Hand befindet, wie es in Neuruppin mit den Stadtwerken Neuruppin der Fall ist. Neuruppin profitiert hier stark von einer lange etablierten Kultur der Zusammenarbeit dieser Bereiche. Grundsätzlich denkbar wäre es, eine solch enge Zusammenarbeit auch auf andere Kommunen zu übertragen, allerdings sind aktuell in vielen Fällen die Infrastrukturen nicht mehr in kommunaler Hand, sodass auftretende Interessenkonflikte dem dann häufig im Weg stehen. Dies weist darauf hin, dass es für Kommunen im Regelfall empfehlenswert ist, Gelegenheiten zum (Rück-)Kauf der (Infrastruktur-)Unternehmen zu nutzen, die Eigentümer der kommunalen Energieinfrastrukturen sind."
Nils Bieschke (OLE): "Die zentralen Ergebnisse des Projekts sind, dass technisch-systemische Konzepte zur Nutzung von lokalen biogenen Reststoffen mit Vorteilen einhergehen können und daher zukünftig ein stärkerer Fokus auf der Einbindung solcher Reststoffe liegen sollte. Gleichzeitig werden im aktuellen institutionellen Rahmen keine Anreize gesetzt, die lokalen Reststoffe energetisch auf eine sinnvolle Art und Weise nutzbar zu machen. Da aus Sicht einer Kommune bzw. eines möglichen lokalen Betreibers außerdem große Unsicherheiten bestehen, wie sich der (übergreifende) institutionelle Rahmen zur zukünftigen Nutzung Biomasse entwickelt, werden derzeit Ansätze zur energetischen Nutzbarmachung von lokalen Reststoffen erschwert. Sinnvoll gestaltete Regelungen, in welchen Bereichen zukünftig im größeren Umfang (gasförmige) Biomasse genutzt werden soll, könnten die Investitionssicherheit für die (lokalen) Akteure deutlich erhöhen und damit zur besseren Umsetzbarkeit von entsprechenden Konzepten beitragen."
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